Ach, Aserbaidschan, du bist bestimmt schön und hast deine
Reize, aber leider haben die Tücken einer Weltreise es auf dich abgesehen,
sodass für uns der Aufenthalt einfach unter keinem guten Stern stand –
irgendwie durchgehend und schon seit Beginn an der Grenze.
Was die Landschaft betrifft, so sind wir vielleicht schon zu verwöhnt. Denn wer vorher die sommerlich-grünen, allseits präsenten Bergwiesen Georgiens genießen und den sich allmählich annähernden Winter, der sich über Armeniens hügelige Weite legt, bestaunen konnte, der muss die landschaftlichen Wow-Momente in Aserbaidschan leider vergeblich suchen. Wir haben sie jedenfalls nicht gefunden. Dafür wartet das Land aber mit anderen Highlights auf, die wir persönlich so noch nie gesehen oder erlebt haben. Da wäre z.B.:
Diese paar Attraktionen haben wir besucht, während wir die meiste Zeit jedoch in Baku verbrachten. Elf Tage haben wir insgesamt erledigt, besorgt und auf Ergebnisse von Ämtern gewartet, denn das Visum für Pakistan, das Visum für den Iran und eine Registrierung für das Land Aserbaidschan mussten beantragt werden. Nichts von alldem hat einwandfrei geklappt, das Meiste hat nur unsere Reisezeit gefressen. Für die in unseren Augen überflüssige Registrierung im Land Aserbaidschan (das muss man machen, wenn man als Tourist länger als 15 Tage in dem Land bleiben will) gibt es drei offizielle Anlaufstellen und keine fühlt sich verantwortlich, die Registrierung vorzunehmen. Höflich werden wir von A nach B, dann nach C verwiesen, um am Ende gesagt zu bekommen, dass das Hotel, in dem wir wohnen, die Registrierung vornehmen würde. Ein Hotel… haben wir nicht. Da das jedoch der einzige Weg ist, diese Registrierung zu erhalten, mieten wir uns für drei Tage das erste Mal in ein richtiges Hotel ein. Immerhin haben wir ein nebensaisonales Sparangebot ergattert, sodass eine Nacht uns glücklicherweise nur 4,50 € p.P. inkl. Frühstücksbuffet kostet. Ich freue mich, weil wir das erste Mal ein eigenes Bad haben und Tim freut sich, weil er das erste Mal wieder open-end essen kann – naja zumindest bis 10:30 Uhr. ;-)
Über den Aufkleber kann man irgendwann hinwegsehen, aber wo lassen wir jetzt die Zylinderkopfdichtung richten? Das Visum für Aserbaidschan läuft in zwei Wochen ab. In Georgien war alles noch so viel einfacher. Es gibt dort keine Visaregularien für uns als Deutsche und wir haben dort unseren Freund Dima und unseren Mechaniker Lasha, der mit Scudo durch unseren letzten großen Schaden vertraut ist. Wir überlegen, wieder nach Georgien zu fahren und das Auto wieder in der Werkstatt in Sugdidi reparieren zu lassen. Mal abgesehen davon, dass wir noch einmal ca. 1000 km in die entgegengesetzte Richtung fahren würden, befindet sich Dima gerade in Deutschland. Zu ihm könnten wir benötigte Ersatzteile liefern lassen, die er nach Georgien mitbringt. Das würde Zeit und Geld sparen. Aber eigentlich ist es auch absurd, wir wollen endlich weiter kommen. Deshalb klappern wir zunächst in Baku sämtliche „Fiat“-Werkstätten ab, denen unser Scudo jedoch zu alt ist, als dass er von den Mechanikern dort repariert werden könnte. Ersatzteile finden wir auch keine und wir kennen hier niemanden, der uns helfen könnte. Doch dann treffen wir zufällig auf „Johnny“. Johnny will uns helfen, schmiert uns ordentlich Honig um‘s Maul und wir freuen uns, dass es doch noch nette und kompetente Menschen hier gibt. Vertrauensvoll geben wir ihm unsere 80 Aserbaidschanisch-Manat (ca. 40 €) in die Hände, für die er uns die benötigten Autoteile holen will. Gott hab‘ ihn selig, wenn ihm etwas zugestoßen ist. Aber wir haben eine andere Vermutung, warum Johnny nie wieder aufgetaucht ist. Schade ist das! Nicht um das Geld, sondern darum, dass derartige unwohlwollende Erlebnisse mit einzelnen Menschen auf die ganze Gesellschaft des jeweiligen Landes zurückfallen – zwangsläufig! Es stimmt einen einfach enttäuscht. Wir analysieren die Begegnung mit Johnny in Grund und Boden, um die Indizien herauszufinden, an denen wir hätten erkennen können, dass er ein Scharlatan ist. Nach dieser Aktion von Johnny will uns ein anderer Mann zum Tee einladen. Wir nehmen seine Einladung an, aber das Gespräch am Tisch dreht sich hauptsächlich um Geld, um €, um Tims Beruf und Portemonnaie und um das Leben in Deutschland – ähnliche Fragen, die auch Johnny uns stellte. Reine Neugier oder Indizien für irgendeinen Hinterhalt? Wir wollen es gar nicht herausfinden und verabschieden uns relativ schnell. Auf dem Rückweg dieses Teetrinkens schwärmen Tim und ich gemeinsam von der Zeit in Georgien. Unserem zweiten Zuhause. Das Land, in dem wir – nach Deutschland – die meiste Zeit unseres Lebens an einem Stück verbrachten. Das Land, wo wir den meisten Kontakt mit Einheimischen hatten und niemals über’s Ohr gehauen wurden. In dieser Schwärmerei wird uns klar, dass wir noch einmal nach Georgien fahren würden. Um Scudo (wieder) zu reparieren, um Tims Iran-Visum (erneut) zu beantragen und gewonnene Freunde zu besuchen. Bye bye, Aserbaidschan! Vielleicht klappt es ein anderes Mal besser mit uns.
Ach da war ja noch etwas: Die Verabschiedung aus Aserbaidschan setzt dieser Verkettung unglücklicher Umstände ein kleines Sahnehäubchen auf. Eine Woche vor Ablauf unseres Visums machen wir uns langsam aber sicher auf nach Georgien. Wir wollen in den nächsten drei, vier Tagen in Ruhe in Richtung Grenze tingeln, als wir plötzlich von der Polizei angehalten werden und seit der gesamten Reise tatsächlich den ersten Betrugsversuch eines Uniformierten erleben. Tim soll angeblich zwölf Mal geblitzt worden sein. Wir müssen auf’s Revier. 600 Manat (300 €) will uns der Polizist pauschal für dieses „Vergehen“ abknöpfen. Drei Blitzer-Fotografien kann er tatsächlich nachweisen. Tim will alle anderen Fotos auch sehen, bevor er irgendetwas bezahlt und hakt zudem nach, ob jede Geschwindigkeitsüberschreitung pauschal 50 Manat kostet. Die offensichtlich ehrliche Antwort des Polizisten: „0-20 kmh kostet nichts und ab 20 kmh kostet’s 50 Manat.“ Tim sieht sich die drei vorhandenen Fotos noch einmal genauer an und erkennt auf zwei von ihnen ganz klar eine Überschreitung von unter 20 kmh. „Wie kann es dann sein, dass ich pauschal 600 Manat, also für alle angeblichen zwölf Vergehen 50 Manat bezahlen muss, wenn ich doch schon an zwei Fotos erkenne, dass ich weniger gefahren bin?“, fragt Tim weiter. Der Polizist druckst herum, meint, wir könnten alle Fotos an der Grenze sehen und dort auch bezahlen. Plötzlich dreht er den Spieß um und sagt, er wolle uns helfen: Wenn wir das Land bis 18:00 Uhr verlassen, dann brauchen wir gar nichts zu zahlen. Uns hält hier ohnehin nichts mehr. Um 17:58 Uhr begrüßen uns die georgischen Grenzbeamten mit den warmen Worten: „Welcome to Georgia!“